Bis vor wenigen Jahren lautete das Ergebnis neurologischer Untersuchung der peripheren Nerven immer wieder: abwarten. Wenn es sich in den nächsten Monaten nicht bessert, dann operativ nachschauen, was dahinter steckt. Der technische Fortschritt der letzten Jahre auf dem Gebiet der Ultraschalltechnik hat in der neurologischen Diagnostik faszinierende neue Möglichkeiten eröffnet. Erstmals können periphere Nerven an Armen und Beinen nicht-invasiv sichtbar gemacht werden. Moderne Ultraschallgeräte erlauben eine Darstellung selbst kleinster Nervenbahnen. In vielen Situationen können damit Nervenveränderungen viel früher erfasst und wichtige Therapieentscheidungen schneller getroffen werden.
Ein persönliches Fazit: Ich halte den Nervenultraschall für den wichtigsten Fortschritt der Neurologie der letzten Jahre. Auch wenn die Methode erst wenige Jahre alt, noch wenig bekannt und noch wenig verbreitet ist und das Erlernen recht langwierig war – ich weiß eigentlich nicht mehr, wie ich es ohne gemacht hätte. Überlegen, ob ein Nerv eingeengt ist, spekulieren wodurch, abwägen, ob ich eine Operation empfehlen soll – und das alles, ohne den Nerv gesehen zu haben? Mit einer Methode, die relativ schnell und für den Patienten auch noch einfach und schmerzlos ist? Ich möchte in meinem Beruf auf den Nervenultraschall nicht mehr verzichten.
1. Warum Nervenultraschall?
2. Diagnosen mit Hilfe des Nervenultraschalls präziser stellen
Ein wichtiger Zusatznutzen des Nervenultraschalls ist auch die Möglichkeit der „dynamischen Untersuchung“. Eine Nerveneinengung z.B. nur bei bestimmten Gelenkstellungen kann damit gesehen werden.
3. Therapien durch Einsatz des Nervenultraschalls gezielter planen
Es muß operiert werden? Dann möglichst rasch.
Wenn etwas auf den Nerv drückt, das „wegoperiert“ werden muss, kann dies mit dem Nervenultraschall sofort entschieden werden. Das früher übliche Abwarten, probatorische Therapien usw. entfallen. Hier gilt: Je früher die Operation, desto besser die Erfolgschancen.
Es gibt nichts zu operieren.
Auch die umgekehrte Situation ist rasch erkennbar: ob eine Ursache vorliegt, die nicht durch eine Operation geheilt werden kann. Dann sind gezielte nicht-operative Therapie gefragt…
Immer wieder Schmerzen, bisher wurde keine Ursache festgestellt.
Im MRT z.B. von Handgelenk, Ellbogen oder Sprunggelenk wurde festgestellt: es ist „nichts zu sehen“. Das Problem ist aber, dass Nerven im Routine-MRT nicht gesehen werden. Der Nervenultraschall hilft, die Ursache von (Nerven-) Schmerzen aufzudecken und eine gezielte Therapie einzuleiten.
4. Neuroorthopädie: Wert des Nervenultraschall bei Trauma und Nervenverletzungen
Etwas komplizierter wird die Frage, wenn ein Knochenbruch passierte, daraufhin eine Operation erfolgte und eine Schraube oder Platte eingesetzt wurde. Wenn dann Nervenprobleme zutage treten, stellt sich die Frage, ob dies durch den Unfall passierte, durch die Operation, oder ob nun eine Schraube bzw. Platte auf den Nerv drückt oder eine Kallusummauerung stattfindet. Letztlich spitzen sich die Überlegungen bei der Frage zu, ob eine Re-Operation indiziert ist, um eine suffiziente Nervenregeneration zu ermöglichen. Hier ist der Nervenultraschall in den letzten Jahren eine unschätzbare Entscheidungshilfe geworden: Wenn ein Knochensplitter, eine Schraube o.a. auf den Nerv drücken und eine erneute OP nötig ist um den Nerv zu retten, kann dies mit dem Nervenultraschall meist gut gesehen werden.
5. Wann sollte der Nervenultraschall eingesetzt werden?
- Bei Unklarheit, inwiefern bei Schmerzen auch eine Nervenreizung dahinter stecken könnte.
- Bei unklaren Missempfindungen, Taubheit oder Lähmungen
-frühzeitige Abklärung einer potentiellen Operationsindikation möglich. - Bei Verdacht auf Nervenverletzung oder bei Verdacht auf eine Nervenkompression (Nerveneinengung).
-präoperativ zur Operationsplanung (Ursachenklärung, anatomische Normvarianten u.a.)
-postoperativ im Falle persistierender oder wiedereinsetzender Beschwerden. - Nach Trauma mit Nervenverletzungen
-Hier oft wichtige Entscheidungshilfe, ob operiert werden sollte (erhaltene Nervenkontinuität? Druck auf Nerv z.B. durch Knochensplitter oder Schrauben o.a.?). - Bei generalisierten Polyneuropathien (bei V.a. genetische oder entzündliche Ursache).
- Dynamische Untersuchung möglich: z.B. Luxation des N. ulnaris bei Ellbogenflexion.
6. Nervenultraschall in den Medien
- Was tun bei Karpaltunnelsyndrom?
- Bessere Diagnostik bei Nervenschmerzen.
- Ultraschallbilder peripherer Nerven.
- Wichtige Zusatzinformationen Nervenultraschall – nach Fachgebieten.
- “Diagnostic sonography of the peripheral nervous system is a rapidly evolving and constantly expanding imaging field […] This has made possible the diagnosis and guided treatment of disorders that were previously deemed inaccessible.” American Journal of Neuroradiology
- Evidence-based guideline: neuromuscular ultrasound for the diagnosis of carpal tunnel syndrome – Link
- “For carpal tunnel syndrome, ultrasound has been shown to provide added value to other procedures, such as electromyography.” – Link
- “It complements electrodiagnostic studies well by providing anatomic information regarding nerves, muscles, vessels, tendons, ligaments, bones, and other structures that cannot be obtained with nerve conduction studies and electromyography.” Prof Walker – Link